E-Government in der Schweiz ausbaufähig

Bild: 123rf/Fractal Verlag

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In der Schweiz ist knapp die Hälfte der Bevölkerung mit dem bestehenden E-Government-Dienstleistungsangebot der öffentlichen Verwaltung zufrieden. Die Behörden haben allerdings noch Nachholbedarf, sowohl in Bezug auf den Umfang ihres digitalen Angebots als auch punkto Datenschutz und IT-Infrastruktur, wie eine aktuelle Deloitte-Umfrage auf Bevölkerungs- und Verwaltungsebene zeigt.

Digital erbrachte Verwaltungsdienstleistungen können das Leben der Menschen erleichtern und einerseits die Zusammenarbeit mit den Behörden, andererseits auch Abläufe und Schnittstellen innerhalb der Verwaltung effizienter gestalten. Ein Unternehmen innert kurzer Zeit im Handelsregister einzutragen, sich für einen Studienplatz an einer Universität zu bewerben und gleichzeitig ein Stipendium zu beantragen, die Steuererklärung auszufüllen, eine Beschwerde einzureichen oder das elektronische Patientendossier zu führen, so dass berechtigte Gesundheitsfachleuten auf medizinischen Informationen zuzugreifen. Das sind nur einige Beispiele. Gemäss der Umfrage «Digital Government Survey 2023» des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte ist knapp die Hälfte (48%) der 1’000 befragten Personen ab 18 Jahren mit dem bestehenden E-Government-Dienstleistungsangebot zufrieden und findet, dass diese im gewünschten Ausmass zur Verfügung stehen. Zwei Drittel (65%) der Menschen in der Schweiz halten es allerdings für wichtig, dass sie sämtliche Dienstleistungen und Behördengänge online abwickeln können. 58 Prozent fordern sogar eine proaktive Nutzung der digitalen Möglichkeiten, zum Beispiel die automatische Erneuerung der Identitätskarte.

Mehr Fokus auf Kundschaft sinnvoll

Das digitale Angebot der öffentlichen Verwaltung entspricht auch gemäss eigener Einschätzung noch nicht den Bedürfnissen der Bevölkerung: Immerhin 43 Prozent der 239 befragten Verwaltungsmitarbeitenden sagen aus, dass ihre Stelle Dienstleistungen digital anbietet; auf Gemeindeebene sind es allerdings nur ein Drittel (34%). «Die Bevölkerung ist bereit für den digitalen Wandel, doch die Verwaltung bleibt noch hinter den Erwartungen zurück. Es ist nun an der Zeit, die Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger stärker zu berücksichtigen und bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen einen kundenzentrierteren Ansatz zu verfolgen. Die Verwaltung hat Aufholbedarf und sollte digitale Lösungen konsequent anbieten. Jetzt sind mutige und entschlossene Schritte gefragt», erklärt Rolf Brügger, designierter Leiter Regierung und Öffentlicher Sektor bei Deloitte Schweiz. Obwohl die Situation sehr unterschiedlich ist, hinken Gemeinden tendenziell hinterher, was die Umsetzung digitaler Angebote und E-Government-Dienstleistungen betrifft. Über alle Verwaltungseinheiten hinweg geben 55 Prozent der Befragten an, datenschutzrechtliche Vorgaben konsequent umzusetzen – auf Gemeindeebene sind es lediglich 29 Prozent. Und 47 Prozent aller Verwaltungsangestellten geben an, dass sie umfassend zum Thema Datenschutz geschult werden – auf Gemeindeebene sind es allerdings nur ein Drittel (33%).

Mehrheit der Bevölkerung hat Vertrauen

Die Mehrheit der Bevölkerung vertraut der Verwaltung, wie die Umfrage zeigt: 52 Prozent aller Befragten glauben, dass ihre Daten bei der öffentlichen Verwaltung gut aufgehoben sind. Die stärksten Befürworterinnen und Befürworter sind in den jüngeren Altersgruppen zu finden. Bei der Frage nach der Sicherheit und Krisenfestigkeit der Behörden-IT ist das Vertrauen geringer: Nur 41 Prozent aller Befragten stimmen hier zu; je höher ihr Bildungsniveau ist, desto kritischer fällt die Antwort aus. «Datenschutz, eine moderne IT-Infrastruktur und Vertrauen seitens der Nutzenden sind zentrale Treiber für die digitale Transformation. Eine proaktive und kooperative Herangehensweise von Politik, Unternehmen und Verwaltung ist bei diesen Themen unerlässlich, um den Anforderungen der digitalen Zukunft gerecht zu werden», sagt Rolf Brügger. Bei den rechtlichen Grundlagen für die Digitalisierung der Verwaltung möchte die Bevölkerung auf Nummer sicher gehen: Sie will eher neue Rechtsgrundlagen schaffen (50%), als bestehende zugunsten von digitalen Lösungen zu interpretieren (35%). Für «Digital First» sprechen sich vor allem junge Menschen, Städterinnen und Städter sowie Personen mit Hochschulabschluss aus.

Finanzierung umstritten

Obwohl Vertrauen in die Dienstleistungen besteht und der Wunsch nach weiteren digitalen Angeboten offensichtlich ist, lehnt die Bevölkerung Steuererhöhungen, finanzielle Umlagerungen oder zusätzliche Gebühren für E-Government-Dienstleistungen mehrheitlich ab. Zwei Drittel (65%) der Befragten sind nicht bereit, in den nächsten fünf bis zehn Jahren höhere Steuern für die digitale Transformation der Behörden zu bezahlen. Und nur gut ein Drittel (36%) findet, dass Bund, Kantone und Gemeinden Steuergelder von anderen Staatsaufgaben in die digitale Transformation umleiten sollten. Gerade mal 16 Prozent der Befragten wären bereit, für digitale Dienstleistungen mehr zu zahlen. Es scheint nicht wirklich klar zu sein, dass die Digitalisierung zunächst Kosten verursacht und der technologische Wandel Investitionen bedingt – erst mit der Zeit können Effizienzgewinne und Einsparungen erzielt werden, und die Zufriedenheit der Kundschaft steigt. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Politik eine entscheidende Rolle bei der Beschleunigung der digitalen Transformation der Verwaltung spielen soll. «Um die Digitalisierung zielgerichtet und wirksam zu gestalten, muss sich die Verwaltung innerhalb der föderalen Ebenen sowie über diese hinaus zusammenschliessen. Die Vorhaben müssen gemeinsam finanziert und vorangetrieben werden. Wenn Silos konsequent überwunden werden und Verwaltungseinheiten sich übergreifend mit einem konsequenten Fokus auf die Bevölkerung organisieren, kann mit vorhandenen Mitteln zusätzliches und bisher unausgeschöpftes Potenzial freigesetzt werden», sagt Rolf Brügger.

Privatwirtschaft könnte Hand bieten

Die Frage nach der Finanzierung der digitalen Transformation – ohne zusätzliche Steuern oder Gebührenerhebung – ist nur eine der vielen Herausforderungen. Eine weitere zeigt sich bei der mangelnden Investition in die fachliche Kompetenz der aktuell tätigen Verwaltungsangestellten. Laut den Befragten sind gut ausgebildete Mitarbeitende der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche digitale Transformation. «Diesen beiden Herausforderungen könnte begegnet werden, indem staatliche Stellen für die Erbringung von E-Government-Dienstleistungen vermehrt mit privaten Unternehmen zusammenarbeiten», so Rolf Brügger. Tatsächlich ist die Bereitschaft, E-Government-Dienstleistungen von privaten Anbietern zu nutzen, im Vergleich zur Deloitte Umfrage von 2021 klar angestiegen. «Unsere aktuellen Ergebnisse deuten auf ein reduziertes Misstrauen gegenüber privaten Unternehmen hin und könnten ein Zeichen für einen Paradigmenwechsel in der Bevölkerung sein», schätzt Rolf Brügger ein. Für Reto Savoia, CEO von Deloitte Schweiz, ist eine digitale Verwaltung auch für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts wichtig: «Eine leistungsfähige, stark digitalisierte Verwaltung ist entscheidend, um im internationalen Standortwettbewerb weiterhin ganz vorne mitzuspielen und die Innovationskraft der Schweiz maximal einsetzen zu können. Der offensichtlich ungelösten Finanzierungsfrage kommt dabei hohe Wichtigkeit zu, wobei ich überzeugt bin, dass eine enge Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatunternehmen den Wandel ermöglichen und die nötige Akzeptanz gewinnen wird.»

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