Das elektronische Patientendossier am Scheideweg

Bild: patientendossier.ch

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Im altehrwürdigen Ratssaal des Suva-Hauptsitzes in Luzern diskutierten am Mittwochabend die Luzerner Nationalratskandidatinnen Rahel Estermann (Grüne) und Riccarda Schaller (GLP) sowie Ständerat Damian Müller (FDP) über die digitale Zukunft des Gesundheitswesens. Fachliche Inputs lieferten Daniel Roscher, Leiter Schadenmanagement und Rehabilitation der Suva, und Dr. Stefan Hunziker, Leiter Informatik Kantonsspital Luzern.

Die Schweiz hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt - und eines der teuersten. Seine Zukunft hängt davon ab, ob es gelingt, die steigenden Kosten in den Griff zu bekommen. Die Digitalisierung schafft dabei Abhilfe, stellt Politik, Versicherer, Leistungserbringer und Patienten und Patientinnen aber auch vor neue Herausforderungen. Daniel Roscher begann seine Ausführungen mit seiner Ambition für die Suva, auch im Digitalzeitalter die Nummer 1 im Schadenmanagement zu sein. Und untermauerte dies gleich mit Zahlen. Mit der Digitalisierung des Schadenmanagements konnte ­der Anteil der automatisierten Fallanerkennungen und -verarbeitungen seit 2019 auf knapp 50 Prozent angehoben werden. Diese Effizienzsteigerung sei nur dank des grossen Efforts aller Beteiligten erreicht worden. «Über 1000 Mitarbeitende mussten lernen, mit Maschinen zusammen zu arbeiten und erhielten mit der Einführung des neuen Schadenmanagements neue Jobprofile und Aufgaben», so Daniel Roscher. Den Blick auf das Gesundheitssystem richtend, erinnerte Roscher daran, dass das EPD wenig erwirken wird, wenn nicht alle Stakeholder – und somit auch die Sozialversicherungen – eingebunden werden. Stakeholdereinbindung war auch für Dr. Stefan Hunziker ein wichtiges Stichwort. In den Digitalisierungsvorhaben innerhalb der LUKS-Gruppe sei besonders viel Wert auf die frühe Einbindung der Ärzte und Ärztinnen gelegt worden, und die Resultate lassen sich sehen: durch den Einsatz von digitalen Prozessen konnte beispielsweise die Anzahl Sprechstunden seit 2018 in einem Bereich um 30 % erhöht werden. Hunziker knüpfte in seinen Statements auch an das EPD an – der langwierige Prozess habe endlich an Fahrt gewonnen. Aber das EPD sei längst nicht mehr das einzige Projekt zur Schaffung eines landesweiten digitalen Gesundheitssystems. Kantonsübergreifende Projekte seien zur Best Practice geworden. 

Einig waren sich die Politikerinnen und Politiker in der anschliessenden Diskussion, die von Simone Wegmann, Partnerin bei CSP AG, moderiert wurde:

  1. Die Digitalisierung ist eine der wichtigsten Gestaltungsflächen, auf der die Probleme im Gesundheitswesen angegangen werden können.
  2. Der Kundennutzen muss im Zentrum der digitalen Gesundheit stehen.
  3. Das EPD steht jetzt am Scheideweg. Die Schweiz muss sich nun einen Ruck geben, um den langwierigen Legiferierungsprozess endlich fertig zu bringen.

Kantonsrätin Rahel Estermann (Grüne) betonte die Wichtigkeit der Selbstbestimmung der Patienten und Patientinnen. So müsse die öffentliche Hand die Menschen auf dem Weg zum EPD begleiten, Hand in Hand mit der E-ID. Sonst hätten wir die gleiche Situation wie bei den Cookies: "Akzeptieren klicken und weiter gehts – ohne zu wissen, zu was wir gerade zugestimmt haben”, meinte die Grünen-Politikerin. Estermann äusserte sich auch kritisch über Anreizsysteme zur Datenfreigabe – ein Bonus- oder gar ein Malus-System bei Krankenkassen sei ein Schritt in die falsche Richtung. Kantonsrätin Riccarda Schaller (GLP) machte sich für eine smarte Nutzung und Weiterentwicklung der digitalen Möglichkeiten im Gesundheitswesen stark. So werde das bewusste und kundengesteuerte Teilen von Gesundheitsdaten neue Potenziale freisetzen, entgegnete sie Rahel Estermann. Zudem müsse der Bund endlich bei der Digi Santé-Strategie vorwärts machen und die Integration der Versicherungsfälle müsse weiterentwickelt werden – schliesslich sei Gesundheit nicht nur im KVG, sondern auch im UVG versichert. All diese Massnahmen machten die Transformation des EPD vom “PDF- Friedhof hin zum intelligenten System” möglich. Ständerat Damian Müller (FDP) betonte indes, dass es neben der Digitalisierung noch weitere Möglichkeiten zur Kostensenkung gebe. Unser Tarifsystem sei veraltet, und auch die Demografie spielt eine erhebliche Rolle, da die Ablösung der Ärzte und Ärztinnen der Baby-Boomer-Generation durch die Digital Natives noch ein weiteres Jahrzehnt andauere. Sparpotenziale in Milliardenhöhe gebe es auch andernorts, beispielsweise in der ambulanten und stationären Pflege. In der nächsten Legislaturperiode werde er, im Falle einer Wahl zum Präsidenten der SGK-S, das zuständige Departement (EDI) in digitalen Gesundheitsfragen noch stärker in die Pflicht nehmen. Dieser Anlass wurde durch die Suva als Gastgeberin ermöglicht und ist Teil einer Reihe von politischen Events rund um die Wahlen 2023, mit denen Digitalswitzerland die Digitalisierung in den politischen Diskurs bringt. Neben dem Anlass in Luzern finden weitere Podien in Zürich am 5. Oktober zum Thema digitale Souveränität und in Bern am 11. Oktober zum Thema Cybersecurity statt. Die Anlässe sind kostenlos und für die Öffentlichkeit zugänglich.

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