Weltweite Insolvenzen steigen 2023 auf Vorkrisenniveau

Anstieg der weltweiten Insolvenzen 2022 um 10 % und 2023 um weitere 19 % auf das Niveau von vor der Pandemie. (Bild: Allianz)

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Die wirtschaftlichen Herausforderungen für Unternehmen sind aktuell vielfältiger denn je. Sie müssen viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten mit der Energiekrise, der drohenden Rezession, hohen Preissteigerungen und steigenden Zinsen. Gestörte Lieferketten setzen die Cashflows von Unternehmen zusätzlich unter Druck. In der Folge steigen auch die Insolvenzen wieder deutlich. Zu diesem Schluss kommt der Kreditversicherer Allianz Trade in seiner jüngsten Insolvenzstudie.

Die Schweiz gehört zur Gruppe der europäischen Länder, in denen der anhaltende Aufschwung bei den Unternehmensinsolvenzen nicht nur bereits Realität ist, sondern zu den stärksten gehört – zusammen mit dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Spanien, den Niederlanden und Belgien. Die jüngsten Zahlen bestätigten den Aufwärtstrend mit einem Anstieg von 37 % in den ersten acht Monaten des Jahres 2022 gegenüber dem gleichen Zeitraum 2021. In diesem Zusammenhang haben die Unternehmensinsolvenzen seit Ende 2021 bereits wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht - mit steigenden Quartalszahlen in Q4 2021 (+18% q/q bzw. +11% y/y), in Q1 2022 (+12% bzw. +36%) und Q2 2022 (+5% q/q bzw. +44%) - und liegen nun in Q3 2022 um mehr als 10% über dem Niveau von 2019. Ausgehend vom aktuellen Umfeld erwartet Allianz Trade für die Schweiz einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2022 um 28 % auf 6550 Fälle gegenüber 5123 Fällen im Jahr 2021. Dies wäre ein neuer Höchststand seit 2018 (6257 Fälle), im Jahr 2023 wird dieser Wert auf 6900 Fälle steigen (+5%).

Zurück auf Vorkrisenniveau

„Angesichts der zahlreichen aktuellen Herausforderungen ist es keine Überraschung, dass Insolvenzen wieder deutlich anziehen. Es handelt sich hierbei allerdings zunächst um eine sukzessive Normalisierung des Insolvenzgeschehens“, sagt Jan Möllmann, Co-CEO ad interim Allianz Trade Switzerland. „2023 dürften die weltweiten Insolvenzen in etwa das Niveau von vor der Pandemie erreichen.“

Bittere Realität: Die Hälfte der Länder weltweit verzeichnet bereits einen zweistelligen Anstieg

Neben Deutschland verzeichnen die USA, China, Italien und Brasilien bisher noch ein anhaltend niedriges Insolvenzniveau. In den meisten Ländern ist die Trendwende allerdings bereits erfolgt, insbesondere in wichtigen europäischen Märkten wie Grossbritannien, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Belgien und in der Schweiz. „Steigende Insolvenzen sind in den meisten Ländern schon Realität“, sagt Maxime Lemerle, Chefanalyst für Insolvenzen bei Allianz Trade. „Auf die wichtigsten europäischen Märkte entfallen zwei Drittel des Anstiegs. Weltweit verzeichneten die Hälfte der von Allianz Trade analysierten Länder im ersten Halbjahr 2022 einen zweistelligen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen.“

Keine rosigen Aussichten für Europa

Europa könnte in den nächsten zwei Jahren besonders stark vom Anstieg der Insolvenzen betroffen sein: Allianz Trade erwartet ein deutliches Plus in Frankreich (+46 % im Jahr 2022; +29 % im Jahr 2023), Grossbritannien (+51 %; +10 %), Deutschland (+5 %; +17 %) und Italien (-6%; +36 %). Bereits 2022 dürfte Europa das Niveau von vor der Pandemie bei den Unternehmensinsolvenzen übertreffen (+5 %). Auch China dürfte im Jahr 2023 rund 15 % mehr Insolvenzen verzeichnen. In den USA rechnet Allianz Trade mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 38 % im kommenden Jahr als Folge der strafferen geld- und finanzpolitischen Bedingungen.

Vor allem kleinere Unternehmen rutschen oft in die Pleite

Diese Normalisierung der Unternehmensinsolvenzen ist allerdings sehr uneinheitlich, sowohl bei den Branchen als auch vor allem bei der Grösse der Unternehmen, die in die Pleite rutschen. So geht der weltweite Anstieg vor allem auf Insolvenzen kleinerer Unternehmen zurück. Grosse globale Pleiten, wie wir sie trotz niedriger Fallzahlen 2021 und insbesondere 2020 gesehen haben, sind aktuell nicht die Treiber hinter dem weltweiten Anstieg. Insgesamt zählten die Experten von Allianz Trade weltweit 182 Grosspleiten in den ersten drei Quartalen 2022, verglichen mit 187 und 332 im gleichen Zeitraum 2021 und 2020.

Steigende Energiekosten, Zinsen und Löhne fressen Gewinne auf

Allerdings machen mit den hohen Energiekosten, steigenden Zinsen und Löhnen gleich drei Rentabilitätsschocks den Unternehmen zu schaffen. Die Margen sind bereits unter Druck; insbesondere die Energiepreise dürften Gewinne von nichtfinanziellen Unternehmen vielerorts auffressen, da sie aufgrund der sinkenden Nachfrage nicht alle Kosten an die Kunden weitergeben können. Darüber hinaus droht in der ersten Hälfte des Jahres 2023 ein Zinsschock, der im Doppelpack mit steigenden Löhnen vielen Unternehmen kräftig zusetzen dürfte. Durch die hohen Kassenbestände können viele Unternehmen dies im laufenden Jahr noch abfedern, 2023 wird es dann für viele enger. Insgesamt sind durch den Anstieg der Finanzierungs- und Lohnkosten vor dem Hintergrund eines geringen Wirtschaftswachstums das Baugewerbe, das Transportwesen, die Telekommunikation, der Maschinen- und Anlagenbau, der Einzelhandel, die Haushaltsgeräteindustrie, die Elektronikindustrie, die Automobilindustrie und die Textilindustrie am stärksten gefährdet.

Ausblick volatil – Energiekrise & Rezession könnten sich verschärfen und Pleitewelle auslösen

Sollte sich die Energiekrise verschärfen und so eine stärkere Rezession in Europa auslösen als bisher erwartet, werden vermutlich zusätzliche staatliche Hilfen ins Spiel kommen, um eine Insolvenzwelle einzudämmen. Denn ohne zusätzliche Massnahmen würden in diesem Szenario Unternehmensinsolvenzen in der Europäischen Union (EU) um 25 % im Jahr 2023 ansteigen. Das wäre der höchste jährliche Anstieg seit 2009.

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