Hinter dem Dresscode verbirgt sich ein Wertekonflikt

Bild: Pixabay/Tumisu

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Sweater statt Krawatte: Das coronabedingte Homeoffice hat in vielen Branchen den Dresscode geändert, zeigt eine gross angelegte Studie der Management- und Technologieberatung Bearingpoint. Dahinter lauert eine Auseinandersetzung um die Arbeitskultur, die mit der Rückkehr in die Büros zu Turbulenzen bei der Zusammenarbeit führen könnte. Drei Ansätze können die Situationen entschärfen.

Die Homeoffice-Pflicht ist ausgelaufen, viele Beschäftigte kehren an ihre Arbeitsplätze im Büro zurück – und in zahlreichen Unternehmen und Verwaltungen zeichnet sich eine Auseinandersetzung um die Arbeitskultur ab. Die Studie „Bürokleidung der Zukunft“ der Management- und Technologieberatung Bearingpoint ist der Frage nachgegangen, wie sich das Verhältnis von Büroangestellten in der Schweiz, Deutschland und Österreich zu ihrer Arbeitskleidung in den vergangenen beiden Jahren verändert hat. Die Ergebnisse scheinen eindeutig: 62 Prozent der über 1.000 befragten Büroangestellten haben auch nach Rückkehr ins Büro vor, am Arbeitsplatz T-Shirts und Sweater zu tragen. Nur noch zwei Prozent können sich vorstellen, täglich Krawatte oder Halstuch umzubinden.

Konflikte scheinen vorprogrammiert

Die Studie hat die Beschäftigten nicht nur befragt, sondern auch in Workshops und Fokusgruppen diskutieren lassen. Dabei zeigte sich: Hinter dem Zerfall der alten Kleiderordnung lauert vielfach ein Wertekonflikt. Dieser stellt viele Unternehmen vor ein Dilemma: Ist den einen legere Alltagskleidung in Büros das Symbol für die agile Transformation der Arbeitswelt, warnen die anderen vor einem Verfall der Arbeitskultur mit Folgen für Performance und Umsatz von Unternehmen. „Rund 30 Millionen Menschen in Deutschland, der Schweiz und Österreich arbeiten im Büro“, sagt Alexander Schmid, Executive Advisor bei Bearingpoint und Leiter der Studie. „Das Dresscode-Dilemma drückt sich vor allem in Arbeitssituationen mit externen Geschäftspartnerinnen und -partnern aus. Der Büro-Dresscode muss dann mit dem post-pandemischen Kleidungs- und Arbeitsverständnis im Grunde Unvereinbares irgendwie zusammenbringen. Das ist eine Führungsaufgabe, auf die viele Unternehmen bislang nicht vorbereitet sind.“

Beide Lager haben gute Argumente auf ihrer Seite: Strenge Kleiderregeln werden als demotivierend empfunden und fördern womöglich ungewollt die Fluktuation gut ausgebildeter und motivierter Fachkräfte, anderseits bleiben Anzug, Kostüm, Krawatte und Halstuch nach aussen Symbole für Professionalität und Fachkompetenz. Vier von fünf Befragten zum Beispiel halten einen höheren Tagessatz für externe Berater und Beraterinnen allein dadurch für gerechtfertigt, dass diese formal korrekt gekleidet sind. Für mehr als zwei Drittel kann die Differenz im Umsatz 15 Prozent oder mehr betragen, für fast jeden Sechsten sogar über 30 Prozent. Damit steht fest: Der Kleiderschrank ihrer Angestellten wird bald bei vielen Führungskräften zum Thema. Wer darauf hofft, dass die Rückkehr ins Büro automatisch eine Rückkehr zu den alten Dresscodes bedeutet, dürfte jedenfalls enttäuscht werden. Viele Büroangestellte haben in den vergangenen beiden Jahren Tatsachen geschaffen. Gaben sie 2019 noch durchschnittlich 1‘186 Franken für Bürokleidung aus, waren es in den Pandemiejahren nur noch gut 484 Franken in 12 Monaten. Vielen Berufs-Einsteigern fehlten im Homeoffice zudem die sozialen Vorbilder. Weniger als jeder Vierte von ihnen hat daher die nötigen Kleider im Schrank, um auch bei sehr formalen Terminen formal gekleidet zu sein.

New Normal: Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Drei Ansätze können gemäss BearingPoint die Situation entschärfen:

  1. Erstens sind Smart Dresscode Contracts eine Lösung, die einerseits anlassbezogen bestimmt werden (smart) und andererseits mit der Belegschaft ausgehandelt sind (contract).
  2. Dazu gehört zweitens auch, die Bürokleidung im Kontext der Arbeit zu thematisieren. Es muss über Sinn und Zweck der Kleidung gesprochen werden.
  3. Drittens muss klar sein, dass die Grenze zwischen Dresscodes nicht deckungsgleich ist mit jener zwischen Homeoffice und Büro. Auch künftig werden formale Termine digital abgehalten. Hier ist zu bestimmen, was einen Auftritt ausmacht, der die kulturell angestrebte Wertigkeit einer Organisation unterstreicht. Neben Kleidung rückt hier auch die technische Ausstattung in den Vordergrund, etwa bei Kamera und Licht.

„Entlang dieser Empfehlungen lässt sich das gewachsene Nebeneinander von geschriebenen wie ungeschriebenen Dresscodes weiterentwickeln, um eine post-pandemische Orientierung unter den jeweiligen kulturellen Werten der Arbeits- und Bürokultur zu erleichtern“, so Alexander Schmid.

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