Bedeutung von E-Sports nimmt in der Schweiz zu

Bild: Unsplash/Florian Olivo

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Vor der Pandemie konnten 35 Prozent der Schweizer Bevölkerung den Begriff E-Sports richtig erklären; 2022 sind es schon 42 Prozent. Etwa der gleiche Prozentsatz (40%) der Schweizerinnen und Schweizer gibt regelmässig Geld für E-Sports-Events und Gaming aus – und zwar im Schnitt 25 Franken im Monat. Zu diesem Schluss kommt die repräsentative Studie «Let’s Play! 2022» von Deloitte, für die über 14’000 Europäerinnen und Europäer befragt wurden. Die Branche steht vor der Herausforderung, ihre wachsende Bekanntheit in noch mehr zuschauende und zahlende Fans zu verwandeln.

Während den Pandemiejahren ist der Umsatz der Gaming-Industrie weltweit auf rund 150 Milliarden Franken angewachsen und übertrifft damit die Film- und Musikbranche. Die Nutzerinnen und Nutzer spielen dabei nicht nur selbst, sondern sehen sich auch virtuelle Turniere an. 45 Prozent der Schweizer Bevölkerung gaben laut der Studie «Let’s Play! 2022» an, im letzten halben Jahr wenigstens einmal ein Videospiel gespielt zu haben. Da die meisten von ihnen aber täglich oder wöchentlich Videospiele spielen, verwundert es nicht, dass ihre durchschnittliche wöchentliche Spielzeit bei über acht Stunden liegt. 12 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer streamen E-Sports-Events und geben dafür durchschnittlich 21 Franken im Monat aus, grösstenteils für Besuche von Events oder MerchandisingArtikel. 3 Prozent gehören zu den Heavy- und Hardcore-Nutzern, die in den vergangenen sechs Monaten mindestens eine Stunde am Tag E-Sports geschaut haben. Sie geben dafür im Schnitt 29 Franken pro Monat aus, im Vergleich zu regelmässigen Nutzerinnen und Nutzern mit 14 Franken und Gelegenheitsnutzern, die 7 Franken ausgeben.

Die Schweiz im europäischen Vergleich

In Europa können 41 Prozent der Befragten richtig erklären, was E-Sports bedeutet – ein Prozent weniger als in der Schweiz. Dass sie selbst gamen, geben 55 Prozent der befragten Europäerinnen und Europäer an, das sind zehn Prozent mehr als in der Schweiz. Auch ihre durchschnittliche Spieldauer überschreitet mit fast 15 Stunden diejenige in der Schweiz deutlich. In Europa geben rund 18 Prozent der Befragten an, wenigstens einmal in den letzten sechs Monaten E-Sports-Events angeschaut zu haben – demgegenüber stehen 12 Prozent in der Schweiz. Bei den regelmässigen E-Sports-Zuschauern ist der Unterschied nicht so gravierend: 2022 geben 5 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer an, mindestens einmal pro Woche E-Sports-Events anzuschauen – im europäischen Vergleich sind es 8 Prozent. In den Pandemiejahren war ihr Anteil in der Schweiz mit 7 Prozent nur unwesentlich höher – gesamteuropäisch hat sich dieser Wert von je 15 Prozent 2020 und 2021 auf 8 Prozent 2022 hingegen fast halbiert. In Europa sind Polen und Spanien die Spitzenreiter im E-Sports-Bereich und zeigen das enorme Potenzial des E-Sports-Martes auf: 29 Prozent der Befragten in diesen beiden Ländern haben in den letzten sechs Monaten mindestens einmal pro Woche E-Sports-Events als Zuschauer verfolgt.

E-Sports: Kaufkräftige und gebildete Zielgruppe

E-Sports werden definiert als Computer-, Mobil- oder Konsolen-Videospiele, die auf professionellem Wettbewerbsniveau gespielt werden, wobei Teams oder Einzelpersonen in Ligen oder Turnieren gegeneinander antreten. «Die Fangemeinde ist jung, wertebewusst, digital vernetzt und auf traditionellen Kanälen immer seltener anzutreffen», erklärt Timo Helbling, Assistant Manager der Deloitte Sports Group Schweiz. Wenn es um die Kanäle geht, die E-Sports-Zuschauerinnen und -Zuschauer nutzen, dominiert die Streaming-Plattform Twitch den Markt, sowohl in Bezug auf Reichweite als auch Sehdauer. «Die Zuschauerinnen und Zuschauer sind überdurchschnittlich gebildet, verfügen über ein überdurchschnittliches Einkommen und gehören vor allem den Altersgruppen der Millennials und der Generation Z an.»

Sportspiele, Shooters und Gratis-Inhalte am beliebtesten

In der Schweiz verfolgen die Zuschauerinnen und Zuschauer am häufigsten Spiele aus dem Genre Sport (32%) wie FIFA, gefolgt von sogenannten First-Person-Shooters (24%) wie Counter-Strike: Global Offensive und Battle-Royale-Spielen (22%) wie Fortnite oder PUBG: Battlegrounds. Sie fokussieren sich in der Regel aber nicht nur auf ein Genre, sondern schauen mehrere. Für regelmässige Zuschauer ist es – im Gegensatz zu Hardcore-Zuschauern – wichtig, dass die Inhalte gratis angeboten werden. «Weil es im E-Sport nach wie vor eine grosse Vielfalt an qualitativ hochwertigem, kostenfreiem Content gibt, lässt sich trotz der beachtlichen Wachstumsraten der letzten Jahre mit E-SportsÜbertragungen bislang nur wenig Geld verdienen», sagt Philipp Lüttmann, Leiter der Deloitte Schweiz Sport Business Group. Demgegenüber stehen zurzeit noch hohe Ausgaben der professionellen Teams: «Die Löhne für Spieler und Mitarbeitende machen rund 45 Prozent der Kosten aus – ähnlich wie im Fussball», sagt Lüttmann. Die Unternehmen der Branche legen deshalb einen stärkeren Fokus auf den Marketing-, Media- und Entertainment-Bereich. Der Anteil von Content-Erstellung oder Consulting- und Agenturleistungen stieg deutlich von 15 Prozent im Vorjahr auf 31 Prozent.

51 Übernahmen von E-Sports-Teams seit 2019

Die Studie befragte auch Expertinnen und Experten aus dem E-Sports-Bereich, unter anderem ESports-Teams oder Ligen- und Event-Veranstalter. Nach eigenen Aussagen erwarten 56 Prozent der befragten Teams, dass sich ihre Profitabilität 2022 im Vergleich zu 2021 verbessert. «Eine Nettorentabilität werden 66 Prozent der Unternehmen aber auch in diesem Jahr wahrscheinlich nicht erreichen», sagt Philipp Lüttmann. Vielmehr legen sie einen strategischen Fokus auf den Aufbau eines stärkeren Fundaments bezüglich Gesamtumsatz, Reichweite, Anzahl an Fans und Attraktivität ihres Produkts insgesamt. Als wichtigstes Geschäftsziel nannten die Teams Umsatzwachstum (80%), gefolgt von wachsenden Fan- und Zuschauerzahlen (70%) sowie Erfolg bei Wettbewerben, dem Erreichen von Profitabilität und der Attraktivität für Finanzinvestoren (jeweils 50%). Tatsächlich hat mit steigender Bekanntheit sowie guten Wachstumsperspektiven die Attraktivität des E-Sports-Sektors für Investoren zuletzt stark zugenommen. Seit 2019 gab es weltweit 51 Übernahmen bei den E-Sports-Teams sowie den Organisatoren von Events und Ligen (Angaben von Mergermarket, Esports Insider sowie Analyse von Deloitte). Insbesondere seit Ende 2020 verzeichnet die Branche zunehmende Übernahmen und Fusionen mit durchschnittlich vier bis fünf Deals pro Quartal. «Wir gehen davon aus, dass die Investmentaktivitäten auch in Zukunft auf einem hohen Level bleiben werden», sagt Philipp Lüttmann.