Die Auswirkungen der Digitalisierung bei Handelsplätzen

Tobias Stöhr, Börsenexperte bei Spectrum Markets. (Bild: Spectrum Markets)

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Der wachsende Trend zur Online-Peer-to-Peer-Anlageberatung steht nicht für die Demokratisierung der Finanzmärkte, sondern ist vielmehr ein Symptom für die mangelnde Transparenz der alten Systeme, erklärt Tobias Stöhr, Börsenexperte beim Handelsplatz Spectrum Markets.

Um die Jahrtausendwende war das Web 1.0 eine Ära des Optimismus. Viele sagten voraus, dass das Web ein Zeitalter zunehmender Demokratisierung einläuten würde, da der Zugang zu sozialem Kapital, d. h. die Fähigkeit, sich mit den Netzwerken zu verbinden, die die Gesellschaft formen, dezentralisiert würde. Stattdessen konzentrierte sich die Einflussnahme durch Netzwerkeffekte in den Händen einiger weniger sozialer Netzwerke. Finanzielles Kapital ist nicht identisch mit sozialem Kapital. Seine Veränderung durch die Digitalisierung hat nicht genau den gleichen Verlauf genommen. Die Digitalisierung hat die Transaktionskosten gesenkt und Reibungsverluste verringert. Alte papierbasierte Systeme wurden durch effizientere Online-Dienste ersetzt. Die Digitalisierung hat den Zugang zu den Märkten durch den rund um die Uhr verfügbaren Online-Handel demokratisiert. Die grundsätzliche Natur der Kunden-Dienstleister-Beziehung zwischen Kleinanlegern und Brokern ist jedoch unangetastet geblieben. Kleinanleger können heute leichter denn je ein Wertpapier erwerben und damit hoffentlich einen Gewinn erzielen. Aber sie wurden nicht als eine Kraft angesehen, die den Markt gestalten kann. Zumindest bis vor kurzem. Durch koordinierte Bemühungen in den sozialen Medien konnten private Anleger (in Fällen, die sich auf den Preis einzelner Aktien beschränkten) grosse Veränderungen an den Finanzmärkten erzwingen. Privatanleger gründen Online-Gemeinschaften für den Austausch von Anlagetipps. Einige sehen in diesem Phänomen eine Reminiszenz an die frühen optimistischen Tage des Web 1.0, ein Zeichen für die notwendige Veränderung und Demokratisierung der Märkte. Für andere wiederum ist der unregulierte Austausch von Anlageempfehlungen zwischen unqualifizierten Amateuren, die oft unter einem Pseudonym in chaotischen Online-Foren agieren, eine gefährliche neue Entwicklung. Zumindest zeigt die Existenz dieser Online-Communities, dass Privatanleger einen unerfüllten Wunsch nach neutralen Auskünften haben, die sie bei ihren Anlageentscheidungen unterstützen. Und selbst der oberflächlichste Blick auf diese Foren zeigt, dass die Art der Beratung, das Informelle und der Zugang, sie sowohl risikoreich als auch attraktiv für eine neue Generation an Online-Investoren machen.

Beispiel GameStop

Die bekannteste Aktion, die durch die sozialen Medien der Privatanleger ausgelöst wurde, ist der GameStop-Short-Squeeze. Über diese Ereignisse, bei denen Nutzer eines Reddit-Forums Shortsellern grosse Verluste zufügten, ist bereits viel geschrieben worden. Auch Privatanleger, die an ihren Long-Positionen in der Aktie festhielten, als der Kurs wieder zu fallen begann, erlitten erhebliche Verluste. Viele dieser Privatkunden gaben damals jedoch an, dass es ihnen nicht darum ging, ihre Verluste zu mindern, sondern dass sie den Shortsellern schaden wollten, da diese zu einem Art Feindbild geworden waren, gegen den sich ihre Online-Community zusammenschliessen konnte. Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese Reaktion zu interpretieren: unkontrollierte Angeberei, ein Versuch einflussreicher Forumsteilnehmer, das Verhalten anderer zu manipulieren, um ihre eigenen Verluste einzudämmen, oder einfach eine Illustration der Irrationalität der Empfehlungen, die in solchen Online-Foren zu finden sind. In jedem Fall lässt sich aus diesem isolierten Vorfall, bei dem es um den Kurs einer einzigen Aktie ging, nur schwerlich schliessen, dass Privatanleger, die ihre Bemühungen in den sozialen Medien koordinieren, heute über eine erhebliche Macht auf den Finanzmärkten verfügen. Rückblickend ist der GameStop-Short-Squeeze weniger ein Beweis für den Aufstieg einer neuen Form dezentraler Macht des Bürgers als vielmehr eine virale Episode von Internet-Trolling, wenn auch eine mit erheblichen Auswirkungen in der realen Welt. Aus regulatorischer Sicht gehen jedoch die Integrität der Märkte und der Anlegerschutz Hand in Hand. Würden Fälle wie GameStop nicht untersucht, würde dies das fördern, was die Aufsichtsbehörden als "Gamification of Trading" bezeichnen: eine Vergrösserung des potenziellen Schadens - unabhängig davon, ob es sich um systemische oder lokale Schäden handelt -, die dadurch begünstigt wird, dass den Privatanlegern nun die Möglichkeit geboten wird, immense Risiken einzugehen. Es liegt auf der Hand, dass mangelnde Transparenz nicht nur zu der anfänglichen Marktvolatilität beigetragen hat, sondern auch zu einem Vertrauensverlust der Privatkunden in Handelsplattformen. Die mangelnde Transparenz der Marktabläufe veranlasste private Anleger dazu, sich von fremden Online-Anbietern unkontrolliert beraten zu lassen, um so die etablierten und besser regulierten Systeme zu umgehen. Die mangelnde Transparenz führte auch dazu, dass viele dieser Anleger glaubten, dass ihre Makler sich des Betrugs schuldig gemacht hätten. Dies alles zeigt, wie wichtig es ist, die Nutzung sicherer, vertrauenswürdiger Handelsplätze zu fördern. Bei der Gründung von Spectrum Markets war Transparenz ein zentrales Geschäftsprinzip. Es ist unvermeidlich, dass die Digitalisierung auch weiterhin die bestehenden Systeme stören wird, aber durch Transparenz können diese Störungen positiver Natur sein. Und durch Transparenz kann das Bedürfnis der privaten Anleger nach unvoreingenommenen Informationen sicher und angemessen erfüllt werden.

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